Wir waren mit dem Hochseeschlepper OCEANIC, Baujahr 1969 und einem Pfahlzug von 179 Tonnen, auf der Reise von Southampton nach Bremerhaven, da erreichte uns die Order aus Hamburg Kurs Emsmündung zu fahren. Mit 14.000 KW bzw. 20 Knoten. Das Wetter war winterlich und stürmische Winde mit Schneeschauern begleiteten uns vom englischen Kanal in die Nordsee.
In der Messe bekamen wir mit, dass sich vor der Emsmündung eine Kollision ereignet hatte und ein Japaner unsere Hilfe brauchte. Es war der Stückgutfrachter „France Maru„. In den Abendstunden waren wir beim Havaristen, das Vorschiff war bei der Kollision beschädigt, ein großes Loch war das Ergebnis und das Vorschiff lag auf Grund, das Achterschiff war allerdings schwimmfähig. Nach einer örtlichen Besichtigung wurde achtern die Schleppleine befestigt und unsere „Oceanic“ ließ die Muskeln spielen und zog den Japaner auf eine Sandbank so dass man das Leck mit einer sogenannten Patsche abdichten konnte.
Es hört sich alles sehr einfach an, aber das winterliche Wetter machte uns sehr zu schaffen. Wir inspizierten die vorderen Laderäume, dort sah es aus wie bei Karstadt in der Dunkelheit. Nur mit Taschenlampen in den Händen sahen wir dass wir ein Warenhaus vor uns hatten. Einige Kisten waren zerbrochen und Radiogeräte, Musikinstrumente, TV Geräte lachten uns an. Es war ja ein paar Tage vor Weihnachten und uns war klar, dass wir bis dahin den Job erledigt haben und Weihnachten mit unseren Familien feiern würden.
Also was tun, natürlich die Radiogeräte einsammeln und mit auf die „Oceanic“ nehmen. Jeder war hoch motiviert, wir wollten unbedingt nach Hause, sprich Bremerhaven. Die „France Maru“ wurde nach Emden geschleppt, mit Hilfe kleinerer Bugsier-Schlepper. Wir konnten tatsächlich von Emden nach Bremerhaven fahren. Mittlerweile hatten wir den 23.Dezember und die Stimmung an Bord war gut.
Ich fuhr zum Bahnhof, löste eine Fahrkarte und fuhr über Bremen und Osnabrück nach Bielefeld. Meine junge Frau war bei ihren Eltern, wir hatten gerade im September geheiratet. Es gab kein Mobiltelefon und die Überraschung war gelungen als ich Mitternacht, es der 24 Dezember, vor der Tür stand. Todmüde, aber mit einen Lächeln hatte ich es geschafft, Weihnachten bei meiner Frau zu sein.
Abends brannte der Tannenbaum und nun kamen zwei Kofferradios vom japanischen Stückgutfrachter zum Vorschein. Die Großmutter, die ein Radio bekam, war so glücklich dass sie nun immer die Gottesdienste im Radio hören konnte. Mein lieber Junge, der liebe Gott wird auf dich aufpassen, du hast der Großmutter eine große Freude bereitet. Ich denke, der liebe Gott hat uns verziehen, dass wir die Geräte aufgesammelt haben.
Am zweiten Weihnachtstag ging es mit dem Zug wieder nach Bremerhaven und dann an Bord. Ausgelaufen sind wir dann am 3. Januar 1970, Kurs Monrovia Reede und haben dort einen Havaristen nach Dakar geschleppt. Weiter ging es dann nach Las Palmas und von dort nach Galveston/Texas. Von dort wurde eine Bohrinsel in die Türkei geschleppt.
Aber das sind andere Geschichten. Langeweile hatten wir nie.
Aufgeschrieben von Claus Biernoth, sen.
PS: Ich war auf der “OCEANIC” von 9.12.1969 bis 6.8.1970
Dieser Schlepper war gerade in Dienst gestellt worden, zu der damaligen Zeit ein fantastisches Schiff.
Danke, Claus!
Gerne mehr davon, immer sehr interessant zu lesen.